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Verbandsklagerecht im Tierschutz

Was ist das Verbandsklagerecht?

Jeder Mensch in Deutschland besitzt eigene Rechte, die er*sie vor Gericht geltend machen kann. Er*sie kann sich dabei von Anwält*innen vertreten lassen.

Diese Möglichkeit haben Tiere nicht. Sie werden von unserem Rechtssystem nicht als Träger*innen individueller Rechte anerkannt. Allerdings können Tierschutzvereine als Fürsprecher der Tiere die Einhaltung von Tierschutzrechten einklagen.

Diese Möglichkeit verbirgt sich hinter dem sperrigen Namen „Tierschutz-Verbandsklage“. Das Verbandsklagerecht regelt die Möglichkeiten von Organisationen, den Staat zu bewegen, Tierleid bzw. Tierschutzverstöße abzubauen.

Die Situation in Deutschland

Das Instrument der Verbandsklage im Naturschutz und Tierschutz

Verbandsklagen wurden als Instrument im Naturschutz etabliert und sind dort bereits sehr erprobt. Umwelt- und Naturschutzorganisationen haben die Möglichkeit, im Sinne der Natur und der Umwelt rechtliche oder politische Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Beispielsweise lässt sich damit gegen öffentliche Bauvorhaben vorgehen, wenn diese massiv gegen Umweltauflagen verstoßen.

Bei Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutz können zwar wild lebende Tiere betroffen sein bzw. von den Klagen profitieren.

Von Tierschutz-Verbandsklagen spricht man aber vor allem dann, wenn das Tierschutzrecht betroffen ist, und Tiere nicht nur im Rahmen des Artenschutzes, sondern individuell um ihrer selbst willen geschützt werden.

Welche Bereiche regelt das Tierschutz-Verbandsklagerecht?

Das Verbandsklagerecht regelt, wie Vereine aus dem Tierschutz bzw. Tierrecht (“Verbände”) Klagen gegen Tierschutzverstöße führen können. Die mangelnde Umsetzung von Tierschutzgesetzen wird auch als “mangelnder Vollzug” im Tierschutzrecht bezeichnet.

Je nach landesweiter Regelung ist im Verbandsklagerecht folgendes festgelegt:

Wenn ein Land ein Gesetz zum Verbandsklagerecht verabschiedet hat, können Vereine den Antrag stellen, in die Liste klageberechtigter Organisationen aufgenommen zu werden. Diese Vereine dürfen dann eigenständig Klagen einreichen.

Bisher gibt es solche Gesetze nur auf Landesebene, und zwar in acht Bundesländern (Stand: Mai 2020). In dem 2020 für Berlin erlassenen Gesetz heißt es in §1:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, anerkannten Tierschutzorganisationen das Recht einzuräumen, in Verwaltungsverfahren im Bereich des Tierschutzes mitzuwirken und Maßnahmen der Behörden […] gerichtlich überprüfen zu lassen, ohne selbst in eigenen Rechten verletzt sein zu müssen.“1

Der letzte Zusatz – „ohne selbst in eigenen Rechten verletzt sein zu müssen“, ist deshalb wichtig, weil normalerweise im Recht nur diejenige Person eine Klage einbringen darf, die selbst betroffen ist.

Die Tierschutz-Verbandsklage kann der rechtlichen Ungleichheit zwischen Menschen und Tieren etwas entgegensetzen. Die Ungleichheit ist aber damit bei weitem nicht überwunden.

Während Tierhaltungsbetriebe gegen ein “zuviel” an Tierschutz klagen können, indem sie auf Grundrechte wie die freie Berufswahl pochen, fehlt Tieren die Möglichkeit, ein  „zuwenig“  an Tierschutz zu beanstanden. Tierschutzverbände können lediglich auf die Einhaltung geltender Tierschutzregeln hinwirken.

Die Tierschutz-Verbandsklage ist aber trotz dieser Limitationen ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer Rechtsordnung, die Tiere nicht als Sachen, sondern als vom Recht subjektiv betroffene Akteur*innen anerkennt.

Juristische Expert*innen sind sich einig, dass das in Art. 20a der deutschen Verfassung formulierte Staatsziel Tierschutz die Einführung von Klagebefugnissen für anerkannte Tierschutzvereine besonders nahelegt.2 Darin heißt es nämlich, dass Tierschutz “durch … die Rechtsprechung gewährt werden soll”.

Vereine als rechtliche Vertreter der Tiere?

Wenn Tierschutzorganisationen die Einhaltung des Tierschutzes einklagen, handeln sie praktisch als Treuhänder*innen oder Vertretung der Tiere. Ein Klagerecht im Tierschutz wird aber nach Einschätzung von Jurist*innen erst dann wirklich greifen, wenn Tiere als eigenständige Partei in rechtlichen Verfahren auftreten könnten.

Dann erst würden ihre Interessen unmittelbar mit denen der Gegenseite (etwa der Tierhalter*innen) abgewogen. Eine Möglichkeit, um dies zu erreichen, wäre die Einführung einer “tierlichen Person” im Recht.3

Aktuelle Probleme

Verbandsklagen sind noch nicht überall möglich

Aktuell (Stand Mai 2022) gibt es nur acht Bundesländer, die ein Verbandsklagerecht besitzen und damit Vereinen die Möglichkeit geben den Tierschutz rechtlich einzuklagen.

Nordrhein-Westfalen (NRW), eines der großen Bundesländer, das auch die zweithöchste Anzahl an Tieren hat, die für menschliche Nahrungszwecke gehalten werden, hat das Gesetz 2013 eingeführt, dann aber wieder abgeschafft.

Die schwarz-gelbe Koalition unter Armin Laschet hat die Regelung in der Regierungszeit 2017 bis 2021 nicht verlängert. Und auch die neue schwarz-grüne Regierung unter Hendrik Wüst (CDU) zeigt kein Interesse, das Verbandsklagerecht im Tierschutz wieder einzuführen (Stand Juli 2022).

Die aktuellen Regierungsparteien CDU und Bündnis 90/ die Grünen in NRW verhindern eine wichtige Möglichkeit, das Staatsziel Tierschutz umzusetzen. Das gleiche gilt für andere Regierungen in Bundesländern ohne Verbandsklagerecht.

Außerdem fehlt aktuell eine Regelung zur Verbandsklage auf Bundesebene. Einen konkreten Gesetzesentwurf für die Verankerung der Verbandsklage auf Bundesebene haben Jurist*innen ausgearbeitet und veröffentlicht.4

Herausforderungen für NGOs, um das Klagerecht zu nutzen

Selbst wenn künftig die übrigen Bundesländer nachziehen und ein Verbandsklagerecht flächendeckend sowohl auf Länder- als auch Bundesebene etabliert ist, bestehen weitere Herausforderungen.

Der erste Punkt betrifft die Anerkennung. Die Hürden für Vereine, als klageberechtigt anerkannt zu werden, waren in der Vergangenheit oftmals hoch. In Baden-Württemberg etwa wurden im ersten Anerkennungsprozess 2016 nur drei Tierschutzorganisationen offiziell anerkannt.5

Außerdem müssen sie die oftmals hohen Kosten langer Verfahren finanziell durch Spenden aufbringen, was die praktischen Möglichkeiten stark begrenzt.

 Unsere Forderungen

Lücken schließen: Auf Landesebene sind künftig alle Bundesländer mit einem eigenen Verbandsklagerecht auszustatten. Auch auf Bundesebene braucht es ein Klagerecht für Verbände. Ein entsprechender Paragraph für Befugnisse für Tierschutz- bzw. Tierrechtsvereine ist im Bundestierschutzgesetz einzufügen, darunter ein Klagerecht und Akteneinsicht.6

Hürden für Vereine abbauen: Eine große Vielzahl von Vereinen setzt sich auf unterschiedliche Weise für das Staatsziel Tierschutz ein. Um die Ressourcen für die rechtliche Arbeit aufzuteilen, sollten möglichst viele Vereine die Möglichkeit zur Verbandsklage bekommen. Eine Ausgrenzung von Tierschutz-Akteur*innen vom Klagerecht muss die Ausnahme bleiben und gerechtfertigt werden.

Staatlicher Förderfonds für Klagen: Indem Vereine zu einem Rechtsrahmen beitragen, der den Tierschutz gewährleistet, übernehmen sie einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwohl und -wesen. Daher sollte ein staatlicher Fonds geschaffen werden, bei dem Vereine finanzielle Mittel für aussichtsreiche Klagen einwerben können.

Unsere Vision

Um das Staatsziel Tierschutz und die Möglichkeiten der Verbandsklage zukünftig effektiv umzusetzen, sollten Tiere einen eigenen Rechtsstatus erhalten, der es Anwält*innen ermöglicht, die Rechte dieser Tiere vor Gericht zu vertreten.

Quellen

Gesetz zur Einführung des Tierschutzverbandsklagerechts vom 31.08.2020, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin (76. Jahrgang, Nr. 40 vom 10.09.2020)
2 Bülte, J. Felde, B., Maisack, C. (2022): Reform des Tierschutzrechts. Nomos, online frei zugänglich unter: https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/reform-des-tierschutzrechts-id-101096/
3 von Gall, P. und Carolin R.: Tiere brauchen Vertreter:innen im Recht und in der Politik, in: Neussel, W. (Hrsg.). Verantwortbare Landwirtschaft statt Qualzucht und Qualhaltung. (2021). München: oekom. S. 279 – 286.
4 Bülte, J. Felde, B., Maisack, C. (2022): Reform des Tierschutzrechts. Nomos, online frei zugänglich unter: https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/reform-des-tierschutzrechts-id-101096/
5 Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 19.12.2016. Minister übergibt Anerkennungsbescheide: Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen
6 Siehe hierzu den Entwurf für ein neues Bundestierschutzgesetz in: Bülte, J. Felde, B., Maisack, C. (2022): Reform des Tierschutzrechts. Nomos, online frei zugänglich unter: https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/reform-des-tierschutzrechts-id-101096/