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AGRARLOBBY UND CDU/CSU GEGEN STAATLICHEN TIERSCHUTZ
Was ist dran an der Kampagne gegen die neue Tierschutzbeauftragte Kari? – Ein Faktencheck

Was ist dran an der populistischen Kampagne gegen die neue Tierschutzbeauftragte Kari? – Ein Faktencheck

Veröffentlicht am 28.06.2023 (Titel-Foto: human.cruelties)

Am Montag, dem 12. Juni 2023 trat die neue Bundestierschutzbeauftragte Ariane Désirée Kari ihr Amt an. Dafür hat Animal Society sich stark gemacht, denn die Belange von Tieren müssen endlich viel stärker in politische Entscheidungen einfließen.
Seit Monaten gibt es aber regelmäßig Kritik an dem Amt, meist von der Agrarlobby und der CDU/CSU – konservative Medien greifen das auf. Wir fühlen der Kritik auf den Zahn und prüfen, was dran ist an den Vorwürfen.

Die Vorwürfe der Kritiker*innen im Faktencheck

1. “Das machen doch schon andere…”

Die CDU-Abgeordneten Stegemann1 und Bilger2 behaupten, die Arbeit der neuen Tierschutzbeauftragten werde bereits von Mitarbeiter*innen im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) übernommen. Konservative Medien wie die BILD-Zeitung3 und NZZ4 verbreiten das. Der Vorwurf ist sachlich falsch. Die neue Stelle arbeitet völlig anders als die Beamt*innen im BMEL.

Die Tierschutzbeauftragte ist weisungsfrei gegenüber der Leitung im BMEL. Sie kann auf rein fachlicher Grundlage, ohne die Zustimmung der Parteien, Staatssekretäre oder Minister*innen, die nötigen Maßnahmen zur Beseitigung von Missständen im Tierschutz ergreifen. Sie setzt nicht nur jene von oben verordnete Politik um, die mit “Tierschutz” oftmals beschönigend betitelt wird, sondern ergreift eigenständig Initiativen, die geeignet sind, das Leid von Tieren effektiv zu lindern. Und sie klärt die Bevölkerung ehrlich über die Zustände auf, die das Leben von Tieren betreffen: In der Natur ebenso wie in den Industrie-Ställen, den Forschungslaboren und bei Heimtieren. Das macht die Bundesregierung bisher fatalerweise nicht.

2. “Die Agrarwirtschaft braucht keine Tierschutz-Stelle, die ihr reinredet.”

Das ist korrekt. Wie die neue Bundesbeauftragte in einem Interview in der ZEIT5 klarstellt, dient diese Stelle nicht den Agrarbetrieben, sondern den Tieren und ihrem Wohlergehen. Wenn aber MdB Stegemann (CDU) mit der Aussage andeutet, dass die Landwirtschaft den Tierschutz selber umsetzen könne, helfen wir ihm mit einigen Fakten nach. Tierleid ist systemimmanent, weil Tiere wegen wirtschaftlicher Interessen getötet und oft nicht einmal basale Gesundheitskriterien6 erfüllt werden. Die zahlreichen aufgedeckten Tierschutz-Skandale werden außerdem selten strafrechtlich verfolgt.7 Schon die bestehenden Tierschutzstandards werden unzureichend umgesetzt, geschweige denn genügend weiterentwickelt. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Es braucht sehr wohl eine Stelle, die diese gesellschaftlich angeprangerten Defizite angeht.

Ein Ferkel steht auf Spaltenboden neben seiner Mutter, die in einen Kastenstand gesperrt ist. Foto-Credit: Konrad Lozinski

3. “Das ist doch viel zu teuer!”

Kritiker*innen des Amtes sprechen von “hohen Kosten”. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation wird das die Wut unter den Bürger*innen anstacheln. Die Ausstattung des Amtes liegt allerdings im Vergleich zu den anderen Beauftragten im unteren Minimum. Neben der Beauftragten selbst sind nur drei Stellen vorgesehen, die nach üblichen Tarifverträgen im öffentlichen Dienst bzw. Ministerium bezahlt werden. Die Kosten des Amtes belaufen sich Angaben zufolge auf 258.000 € Euro. Zum Vergleich: das BMEL verfügt über ein Haushaltsvolumen von 7,68 Mrd. €, das ist 30.000 mal so viel. Etwa weitere 6 Milliarden € aus dem Topf europäischer Agrarfördermittel fließen vor allem in die Agrarwirtschaft, darunter auch an Betriebe, die Tiere in Haltungsbedingungen halten, die Leid verursachen und krank machen. Hinzu kommen aktuell rund 1 Milliarde € für Investitionen in neue Tierställe, in denen zwar “mehr Tierwohl” umgesetzt werden soll, aber das Tierleid und ihr Tod nicht vermieden werden können. Diese aufgeblähte Agrarverwaltung und agrarfreundliche Förderpolitik kommt Bürger*innen wirklich teuer zu stehen. Hier sollte geprüft werden, ob jeder Euro wirklich sinnvoll ausgegeben wird.

4. “Doppelstrukturen” 

Die CDU/CSU und Agrarlobby haben für die Kampagne gegen die Tierschutzbeauftragte ein seriös klingendes Wort gefunden: Sie sprechen seit Monaten von “Doppelstrukturen” im staatlichen Tierschutz – also quasi Geldverschwendung und unnötiger Bürokratie. Einige Medien greifen das auf, angestachelt durch Abgeordnete, die “nebenbei” Landwirt*innen und landwirtschaftliche Interessenvertreter*innen sind, wie Artur Auernhammer (CSU)8. Das Argument: Es gebe bereits eine Unterabteilung für Tierschutz, in der rund 50 Personen arbeiten, dass müsse genügen. Fakt ist: Diese Unterabteilung heißt offiziell “Tierschutz und Tiergesundheit”. Diese Abteilung arbeitet längst nicht nur für den Tierschutz. Ihre Aufgaben umfassen Arzneimitteleinsatz, Tierseuchen, Lebensmittelsicherheit, Futtermittel, Tierernährung, Tiergesundheit, uvm. Eine klare Benennung, an welcher Stelle sich Aufgaben überlappen, fehlt in den Behauptungen. Festzuhalten bleibt: Im BMEL, das in Deutschland den Tierschutz umsetzen soll, arbeiten nur rund 0,02% der Mitarbeiter*innen dezidiert zum Tierschutz.

Ein neugeborenes Kalb wird direkt nach der Geburt in einer Trage von seiner Mutter weggebracht, damit ihre Milch für den menschlichen Konsum genutzt werden kann. Foto-Credit: Konrad Lozinski

5. “Es sind zu viele Menschen im Tierschutz beschäftigt” 

Generell wird der Eindruck erweckt, es gäbe schon zu viele Tierschutz-Stellen in der Bundesregierung. Das Gegenteil ist der Fall. Nur 16 Mitarbeiter*innen beschäftigt das “Referat Tierschutz” im BMEL. Es ist zuständig für den bundesweiten Schutz sämtlicher Tiere in Deutschland: wildlebender ebenso wie in Ställen für die Ernährung gehaltene Tiere, Millionen in Forschungslaboren gehaltene Tiere ebenso wie Heim- und Sporttiere. Es ist in praktischer Sicht unvorstellbar, dass das Referat all den damit verbundenen Aufgaben mit dieser geringen Anzahl von Personen entsprechen kann. Zumal auch im Referat Tierschutz nicht nur Politik im Interesse der Tiere vorangebracht wird.

Datenschutz ist den Deutschen offenbar wichtiger als Tiere. Zum Vergleich: Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat über 300 Mitarbeitende und verfügt über ein Haushaltsvolumen von 43 Mio Euro pro Jahr. Die Tierschutzbeauftragte hat 4 Mitarbeitende und ein Budget von 250.000 Euro. Das sind 1,33% der Mitarbeitenden und 0,6% des Budgets.

Zusammenfassend bewerten wir die Kampagne der CDU/CSU und Agrarlobby:

Die Agrarlobby in- und außerhalb der CDU/CSU fährt hier harte Geschütze gegen den Tierschutz auf. Sie wissen, was den Volkszorn weckt: Wenn der Eindruck entsteht, die Regierung – “die da oben” – würden ihren “Gesinnungsgenossen” hoch dotierte Posten verschaffen, und zwar unnütze Posten, die nur noch mehr Bürokratie verursachen und Geld verschlingen. Genau diese Behauptungen richten sie an das Amt der neuen Bundestierschutzbeauftragten Kari. Diese rohe Taktik der Verleumdung zeigt, wie die Agrarlobby das Amt fürchtet. Was sie wohl am ehesten fürchtet, ist ihre Unabhängigkeit im Tierschutz. Denn bislang hatte die Zuständigkeit des BMEL für den Tierschutz dazu geführt, dass die Regierungsparteien und ihre Minister*innen den staatlichen Tierschutz unter ihre Kontrolle bringen konnten. Der*die Minister*in sagt, was als Tierschutz zu gelten hat und weist seine Mitarbeitenden entsprechend an.

Der Populismus der Agrarlobby hat System: Immer wenn sie sich von zu viel Tierschutz bedroht fühlt, greift sie zum Mittel der Verleumdung, um die Bevölkerung gegen den Tierschutz aufzubringen. Eines der Beispiele ist, Menschen zu kriminalisieren9, die mit eigenen Recherchen Tierleid in Ställen aufdecken. Der Abgeordnete Auernhammer (CSU) fiel schon unlängst mit populistischen, falschen Aussagen auf: So unterstellt er Minister Özdemir, die Tierhaltung in Deutschland abschaffen zu wollen.10 Das dürfte gerade unter Landwirt*innen Hass auf den Grünen-Politiker schüren. Hier zeigt sich die Skrupellosigkeit Auernhammers, vor Fakenews nicht zurückschrecken. Denn Özdemir hat sich zum Bedauern der Tierschützer*innen immer wieder öffentlich zur Tierhaltung bekannt und unterstreicht dies regelmäßig mit seiner Politik.

Unabhängig von den kruden Vorwürfen freuen wir uns, dass Ariane Kari nun mit ihrer Arbeit beginnen kann, und bieten unsere Unterstützung an, um den Tieren endlich die Stimme in der Politik zu geben, die sie so dringend benötigen und verdienen.

Lies hier unser Statement zur Ernennung der neuen Bundestierschutzbeauftragten!

Kontakt für Nachfragen:
philipp.vongall@animalsociety.de

Quellen

1 Instagram Albert Stegemann (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
2 Twitter Steffen Bilger (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
3 Mössbauer, K. (25.11.2022) BILD, Obwohl es im Ministerium schon eine Abteilung gibt – Regierung plant Tierschutzbeauftragten, bild.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
4 Kreutzmann, S. (16.04.2023) NZZ, Immer neue Posten: Die Ampelkoalition setzt den Rotstift nur bei anderen an, nzz.ch (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
5 Theile, M. (21.06.2023) ZEIT, „Die Tiere brauchen mich“ – Ariane Kari über Tierschutz, zeit.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
6 foodwatch Report (2023), Tierleid im Einkaufskorb – Warum alle Haltungsformen Nutztiere krank machen und wie sich das ändern lässt.
7 Deutsches Tierschutzbüro, SOKO Tierschutz, ARIWA, Tierretter.de, Tierschutzskandale – Karte der Tierquälerei in Deutschland, tierschutz-skandale.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
8 CSU im Bundestag, Pressemitteilung (24.11.2022), Artur Auernhammer, Ampel schafft Doppelstrukturen für eine Viertelmillion Euro im Jahr, csu-landesgruppe.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
9 Maestro, A. (07.11.2018) taz, Kommentar Stalleinbrüche: Dienst an der Allgemeinheit, taz.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).
10 Agrar Presseportal (25.03.2023) Artur Auernhammer MdB: Özdemir läutet das Ende der kleinstrukturierten Landwirtschaft ein, agrar-pressportal.de (zuletzt aufgerufen am 28.06.2023).